<%@LANGUAGE="JAVASCRIPT" CODEPAGE="65001"%> kunst | konzepte archiv
HOME                                                             home   about   aktuell   archiv   cv   veröffentlichungen

archiv

 

 

Climate-Change-Minds

 

Icelandic Pavilion
La Biennale di Venezia

 

Reinventing Harbour Cities

 

Sequences art festival

 
LIST icelandic art news
 
 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

HOME

 

Monika Tress:
9 Gründe nicht ins Theater zu gehen
Cadavre Exquis - Restposten der Existenz

9 Gründe nicht ins Theater zu gehen

Illustrationen für das Theater Ansbach, Litfaßsäule im öffentlichen Raum

Auf Einladung des Intendanten gestaltete die Ansbacher Künstlerin Monika Tress die Litfaßsäule vor dem Theater. Eine Fülle von Zeichnungen illustrieren 9 mögliche Ausreden, weshalb man besser nicht ins Theater geht. „Die verschandeln unsere Klassiker“ oder „Ich habe immer Pech mit meinem Sitzplatz“ haben dabei vielleicht weniger Allgemeingültigkeit als „Es läuft Champions-League“, „Das Wetter ist zu schlecht“ oder auch „Das Wetter ist zu schön“. Die Zeichnungen sind satirische Kommentare, in denen sich jeder wieder finden kann. Als paradoxe Intervention dient das Projekt, das mit versteckten Zitaten arbeitet dazu, die Neugier auf das Theater zu wecken.


Cadavre Exquis

7-teilige Fotoserie, 2007
75x90cm, 50x60cm, 30x36cm

Die in Ansbach geborene Künstlerin ist Bildhauerin und Zeichnerin. In ihrer jüngsten Arbeit "Cadavres exquis: Restposten der Existenz" verweben sich die verschiedenen Techniken mit weitgreifender Metaphorik zu einer fotografischen Serie, in der es um den Geltungsdrang des Individuums und die menschliche Vergänglichkeit geht. Ausgangspunkt sind anonyme Porträtfotografien um 1900, sog. cartes de visite, die in einem komplexen Bildgefüge in einem aufwendigen Prozess nachgestellt werden. Monika Tress         

Text aus dem Katalog

Der Mensch posiert sich durchs Leben. Der Schein prägt sein Sein und „die Illusion ist das Fleisch auf den Dingen“.* Der siebenteiligen Fotoserie liegt eine komplexe Entstehungsgeschichte zugrunde: Ausgehend von fotografischen Porträts anonymer Menschen um die Wende zum 20. Jahrhundert entwickelt Monika Tress     ein Geflecht von medialem Ausdruck und verzweigter Symbolik. So zeichnen sich auf dem die Personen hinterfangenden Grund scheinbar Spuren nicht mehr existenter Gegenstände, Möbel oder sogar paradoxerweise auch Tiere ab. Spuren einer vergangenen Zeit, die die Tapete selbst zu einem Film werden lassen, in den sich die Fragmente eines Lebens eingebrannt haben. Entgegen der herkömmlichen Massenproduktion des die Privatsphäre ausschmückenden Dekorums sind diese Tapeten aufwändig handgezeichnet. Jedes normalerweise maschinell reproduzierte Ornament behauptet so, dank eines ihm eigenen Duktus, seine Eigenständigkeit und steht als Metapher für das Individuum vor der Masse. Das subjektive Medium der Zeichnung liefert dem objektiven fotografischen Blick symbolische Hinweise, die sich offenkundig auf die jeweils abgebildete Person beziehen. Bei diesen Hintergründen handelt es sich, im Gegensatz zu Kleidung und Pose, die der fotografischen Vorlage der sogenannten „carte de visite“ entsprechen, um freie Ergänzungen der Künstlerin. Auch die Gesichter der Personen, die „Bühnen der menschlichen Identität“, sind aufwändig aus Marzipan modelliert. Sie ahmen die physiognomischen Züge der einstmals fotografierten Menschen nach und verdecken als Masken doch die Identität der hier und heute Abgelichteten.

Monika TressMonika Tress

Die Serie hat ihren Ausgangspunkt in dem Medium Fotografie und endet bezeichnenderweise wieder dort. Dazwischen liegt ein hundertjähriger Schlaf. Die Fotografie selbst, also das lichtbasierte Aufzeichnungsmedium, ist der verzweifelte Versuch, den Moment, das Leben im Bild zu konservieren und vor dem Vergessen zu bewahren.
Die Serie ist ein ernstes Spiel mit vergangenen und gegenwärtigen Existenzen. Die Menschen, die sich einst für die Kamera in Pose stellten, sind verloren und die, die man auf den Fotos sieht, geben nichts von sich preis. Was vom Menschen bleibt sind Restposten, Spuren, die erst noch Teil der Erinnerung Nahestehender sind, bevor sie (wie die Tapeten) verblassen oder anonym erstarren wie die tausende Schädel in den Katakomben von Paris.
Die französische Hauptstadt war zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Geburtsort der „Cadavres Exquis“. Als „ausgezeichnete Kadaver“ bezeichneten die Surrealisten ein Spiel, bei dem einzelne Körperpartien einer Figur von verschiedenen Personen gezeichnet werden und so abstruse Gestalt annehmen. Die „Cadavres“ (Leichname) sind in der fotografischen Serie von Monika Tress nicht wörtlich zu nehmen. Doch das zeitliche Moment, das im Verweis auf fotografische Vorlagen und durch die Spuren der Zeichnungen zur Geltung kommt, macht das einzelne Bild zu einem zeitgemäßen „memento mori“, das dem eitlen Menschen die Widersinnigkeit seines Tuns angesichts einer Zukunft des ewigen Vergessens vor Augen führt.

* Nach A. N. Herbst

Text: Christian Schoen

Der Katalog (mit Beiträgen von Margit Rosen und Christian Schoen, 35 S./Ill.) erschien in Nürnberg/Reykjavik 2007. (Bestellung per mail)

 

CV

Monika Tress, geboren 1973 in Ansbach. 1994-2001: Kunststudium an der Akademie der Bildenden Künste, Nürnberg (Prof. Rolf-Gunter Dienst). 1999: Stipendium des Deutsch-Französischen Jugendwerks für die École Nationale des Beaux Arts, Lyon. 2001: Erstes Staatsexamen und Meisterschülerin. 2002-2005: Kuratierung und Organisation im Aktionsraum der Städtischen Kunsthalle lothringer13 in München. 2005/2006: HWP-Stipendium des Bayerischen Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Buchillustrationen zu „Apfelböck oder Über das Töten“ 2004 (Belleville-Verlag, München).

Ausstellungen zuletzt „Ego – Fotografische Positionen zum Ich“, Frauen Museum Wiesbaden (5. Fototage Wiesbaden) 2007/ „cuts“, Akademie der Bildenden Künste, Nürnberg 2007 / „Cadavre Exquis“- Gallery Turpentine, Reykjavik 2007 / Disegno. Zeichnung als Medium der Erkenntnis, Kunsthaus Reitbahn 3, Ansbach 2014. Monika Tress betreibt mit ihrem Mann das LOFT – Raum für Kunst & Gegenwart und ist zudem Gründungsmitglied der JUKS – Junge Kunstschule Ansbach.